Im Rahmen unseres Projektes „Hilfe für St. Maarten“ haben wir den Kanadier Steven und seine Frau kennen gelernt. Er hat in French Quarter während Hurricane Irma in einem Haus gewohnt, dass stark beschädigt wurde. Seine Frau hatte sich kurz vor Irma den Knöchel gebrochen und trug einen Gips. Sie war nach dem Hurricane regelrecht im Haus gefangen. Als die beiden dann ohne Dach und ohne Küche in ihrem Haus saßen, kamen ihnen die Nachbarn zur Hilfe. Sie halfen die Einfahrt frei zu räumen und versorgten die beiden mit Essen. Sie teilten das, was sie hatten mit ihnen.
Alle paar Stunden erschienen Nachbarskinder mit Nahrung an ihrem Haus. Sie waren davon sehr gerührt und haben die Hilfe dankbar angenommen. Als die ersten Helfer vom Roten Kreuz in ihrer Strasse eintrafen, riet man den beiden, sich sofort zum Flughafen auf der französischen Seite zu begeben und sich nach Guadeloupe ausfliegen zu lassen. Der Knöchel musste dringend ärztlich versorgt werden. Sie zögerten, denn es hieß, dass sie ihre beiden Hunde nicht mitnehmen könnten in das Militärflugzeug.
Wieder erschien eine Nachbarin und beruhigte Steven, er solle sich nun um seine Frau kümmern und während ihrer Abwesenheit würde sie sich um die Hunde kümmern. Das alles zu einer Zeit, wo die Nachbarn selber unter ähnlichen Bedingungen zu leiden hatten und die Versorgung mit Essen und Hundefutter nicht gewährleistet war. Voller Dankbarkeit nahmen sie auch das Angebot an und wurden evakuiert.
Sie wurden nach Guadeloupe ausgeflogen und übernachteten dort in einem Hotel. Die Klimaanlage funktionierte, das Wasser lief aus der Dusche, die Toilette spülte und Steven genoss all das einerseits, anderseits plagte ihn die Gewissheit, dass die Menschen auf St. Martin | St. Maarten diese Dinge nicht hatten.
Als er in Kanada ankam, sprach er sofort mit seiner Tochter darüber und fragte sich, wie er seinen Nachbarn und den Bewohner der Insel würde helfen können. Seine Tochter brachte ihn dann auf die Idee eine Go-Fund-Me Seite im Internet einzurichten und dort Geld zu sammeln, dass er bei seiner Rückkehr dann vor Ort spenden könnte. Gesagt – getan! Seine Seite war sehr erfolgreich und so konnte er, seit seiner Rückkehr vielen Familien hier vor Ort unbürokratisch und direkt helfen. Er spendet auch einen Betrag an Georgina, die den Kindergarten ehrenamtlich leitet, den wir wiederaufbauen helfen. Über Facebook hatte er unseren Aufruf gelesen und hatte sich dort mit uns getroffen.
Wir tauschen uns seither regelmäßig aus und versuchen zu helfen, wo es geht. Als Steven eine Art Dankesfest „Thanksgiving-BBQ“ für seine Nachbarn organisierte, lud er auch uns und Georgina von „Les Explorateurs“ ein. Es wurde gegrillt, jeder brachte Essen mit, es gab hervorragende LIVE Musik, es wurde getanzt, gelacht und jeder erzählte, wie es ihm während IRMA und seitdem ergangen ist. Und obwohl einige Geschichten zum Teil furchtbar und haarsträubend erschütternd waren und wir uns alle einig waren, dass wir feiern können, dass wir das überhaupt überlebt haben, war die Stimmung doch auch wieder leichter und fröhlich. Es war an diesem Wochenende das erste Mal seit 12 Wochen, dass wieder so ein Gefühl von Freude aufkommt, obwohl alle wissen, dass uns ein hartes Jahr bevorsteht.
Viele haben ihr Haus und ihren Job verloren oder bangen um ihr Einkommen. Manch einer berichtete, dass der Druck auf der Arbeit jetzt viel höher sei, weil jeder Angst um seinen Arbeitsplatz habe. Andere beklagten, dass sie zwar ihr Geschäft wieder eröffnen konnten, aber die Kunden ausblieben und es so nicht mehr lange weitergehen kann für sie.
Es kursierten furchtbare Geschichten aus einem der sozial schwachen Gegenden hier auf der Insel, es soll Menschen regelrecht aus den Häusern gerissen haben, manch einen hat man wohl bis heute nicht gefunden. Es soll besonders in der Region furchtbare Schreie gegeben haben und schwere Verletzungen durch umherfliegende Teile. Nicht alle dort hätten Irma überlebt. Die Ärmsten der Insel traf es am Härtesten. Offiziellen Zahlen dazu wird es wohl nie geben. Und in wieweit all diese Geschichten stimmen, vermag man nicht zu sagen.
Für Manche war es der 14.te Hurricane und doch der Allerschlimmste. Meterhohe Wellen, die durch oder sogar ganz über die Häuser hinweg spülten, Autos, die man suchen gehen musste, weil der Sturm sie fort geweht hatte, Boote, die von hier bis zu den Bahamas geflogen/gespült wurden….. die Geschichten nahmen kein Ende.
Doch alle waren froh und dankten dem Herrn, dass sie noch am Leben sind. Auch wenn es für viele ein Neuanfang bei Null ist, haben sie doch alle Hoffnung, es wird wieder besser werden.
Die Besitzer des rechten Hauses auf dem Foto unten zum Beispiel hatten das Meer im unteren Stockwerk und oben hat der Sturm das Dach abgerissen, alle Fenster zerstört. Sie und die Kinder waren während des Sturms bei Verwandten im Inneren der Insel. Ihr Mann und einer der Söhne im Haus, um zu retten, was zu retten war. Das Haus ist nicht versichert, weil die Versicherungen Häuser so dicht am Wasser ablehnen. Die Regierung prüft derzeit immer noch, ob sie überhaupt wieder aufbauen dürfen, doch sie sagen, wir leben hier, sind hier geboren und wir bauen auch wieder auf. Wir warten nicht, wir fangen einfach an. Sie wollen nach und nach – wie die finanziellen Mittel es erlauben – ihr Haus renovieren, um es unten weiter vermieten zu können. Aber das wird halt dauern… (Foto vor Irma)
Viele französische Restaurantbesitzer sind dagegen sehr deprimiert, sie warten auf die Versicherungsregulierung und auf die Entscheidung der Regierung, ob und wie sie wieder aufbauen dürfen. Solange das nicht vorliegt, sind ihnen die Hände gebunden. und es passiert einfach nichts. Viele wollen nun über Weihnachten einfach mal zur Verwandtschaft nach Frankreich fliegen. Etwas, dass sie all die anderen Jahre nicht machen konnten, weil sie da am meisten Gäste hier hatten. Einfach mal runter von der Insel, um Abstand zu bekommen, anstatt hier warten zu müssen. Und dann wird ab Januar mehr Bewegung in den Aufbauprozess in Grand Case, Orient Bay und Marigot kommen. Noch sieht es dort recht ursprünglich und zerstört aus.
Auf der holländischen Seite, insbesondere in Simpson Bay kehrt schon mehr Leben und Tourismus zurück. Es tut gut zu sehen, dass die Flüge wieder landen und die Menschen in den Restaurants und Beach Clubs sitzen. Auch wenn es alles noch langsam zu geht und wir natürlich längst nicht wieder an dem Punkt sind, dass wir sagen könnten, es sieht alles wieder gut aus, so erkennt man doch täglichen Fortschritt.
Es bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele Bewohner hier jetzt die Puste haben durchzuhalten bis es wieder richtig mit dem Tourismus aufwärts geht!
Wir haben Deutsche kennengelernt, Franzosen, Engländer, Kanadier, Amerikaner und viele Einheimische. Jeder hat seine Geschichte mit IRMA, aber in den paar Stunden gestern, war kein Platz für Traurigkeit, sondern nur für viel Lebensfreude.