2 Monate nach Hurricane Irma….

Zwei Monate ist es nun her, dass Irma die Insel St. Maarten | St. Martin heimgesucht hat. Wir hatten Tage ohne Wasser, ohne Lebensmittel, Wochen ohne Strom, ohne fließend Wasser und noch immer gibt es für uns kein Internet. Es waren heiße und regenreiche Tage, viele Mücken und körperliche Anstrengungen. Sorgen, Ängste, Hoffnung und Freude lagen dicht beieinander in den letzten Wochen.

Viele Schicksale haben wir hier erlebt und erleben sie noch immer. Freunde, Bekannte, Nachbarn und Geschäftspartner, die um ihre Existenz kämpfen. Menschen, die kein Geld mehr in der Tasche haben und keine Aussicht auf Einkommen gibt es von Tag zu Tag mehr. Jeden den man zum ersten Mal nach Irma wieder trifft, erkennt man kaum wieder, denn alle haben Gewicht verloren, sind gezeichnet von den Strapazen der letzten Wochen, haben sich einen Bart stehen oder die Haare abrasieren lassen. Es gibt Tage, da sind wir voller Energie, Hoffnung und Tatendrang und manchmal ist man auch einfach nur erschöpft.

Aber wir sind sicher, dass die Insel sich wieder erholen wird. Die Natur zeigt uns jeden Tag aufs Neue, wie es geht: Schritt für Schritt und Blatt für Blatt kommt das satte Grün zurück und die Strände sehen in ihrer sehr ursprünglichen Form schön aus. Manch einer sagt, dass es sogar schöner, weil natürlicher ist. Das türkis-farbene Meer hat an Schönheit nichts eingebüßt und doch waren wir selber seit dem Sturm weder im Pool noch im Meer baden. Irgendwie ist uns nicht danach, obwohl es heiß ist und die ersten Liegen am Strand und an den Pools wieder mit Sonnenanbetern besetzt sind. Sogar die ersten Beach-Parties haben letzten Sonntag stattgefunden.

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photocredit @hnsxm

Die Bevölkerung ist zum Teil zwar noch immer traumatisiert, denn innerhalb nur weniger Stunden hat sich hier alles geändert, aber alle wissen, dass wir uns keine Sentimentalitäten und Zeitverzögerungen leisten können, wenn wir noch in irgendeiner Weise die Saison 2017/2018 halbwegs retten wollen. Ohne Einnahmen bis Saisonstart 2018/2019 könnten die meisten nicht überleben, denn die Low Season ist grundsätzlich 6 Monate lang, d.h. wir kommen gerade aus einer Low Season und viele haben jetzt schon kaum noch Rücklagen und sehen sich nun auch noch der Möglichkeit beraubt, in der High Season Geld zu verdienen, wenn die Hotels nicht aufmachen, die Flüge gestrichen werden und die Kreuzfahrer ausbleiben. Das wäre nach dem Sturm und den Plünderungen die dritte Katastrophe für die Insel.

Es gibt derzeit genau zwei Gruppen von Menschen hier, die einen, die sich auf das Positive fokussieren und jeden Fortschritt loben und diejenigen, die voller Verzweiflung und ohne Perspektive sind. Gerade diejenigen, die wirklich allen Grund zum Klagen hätten, sind oft diejenigen, die die anderen noch aufmuntern und ihnen Perspektiven aufzeigen, die die selber gar nicht sehen. Der Zusammenhalt ist groß, hat man doch alles gemeinsam durchlitten und jeder weiß, niemand kann etwas für seine derzeitige Notlage.

Noch immer sind viele Menschen ohne Dach über dem Kopf, viele haben einen lieben Menschen verloren, zum Glück haben aus unserem direkten Umfeld alle überlebt und sind jetzt dabei, die Scherben aufzusammeln und sich neu zu orientieren. Es gibt keine offiziellen Zahlen über die Todesopfer und die wird es sicher auch nicht geben, denn das wäre schlecht für das Image der Insel. Zu flüchtig und zu scheu sind Touristen und die will man jetzt keinesfalls verschrecken mit konkreten Zahlen.

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Tourismus ist die Haupteinnahmequelle der Insel und die Gäste werden dringend benötigt. Die Reedereien und Fluggesellschaften schicken ihre Bodencrews, die wiederum die Destinationen begutachten und die Entscheidung treffen sollen, ob bzw. wann die betroffenen Inseln wieder in der Lage sind, Touristen aufzunehmen. Die genauen Kriterien dafür sind unterschiedlich, aber wer mit offenen „Touristen-Augen“ über die Insel geht, der wird hier und da noch schockiert sein über das Ausmaß der Zerstörung. Wer aber mit „After-Irma-Augen“ über die Insel geht, der ist beeindruckt von all dem Fortschritt, den die Aufräumarbeiten gemacht haben und den hart arbeitenden Bewohnern der Insel.

Alle Straßen sind befahrbar, die Schulen sind auf, viele Restaurants und Geschäfte eröffnen nach und nach und der Müll wurde abtransportiert – auch die Sammelplätze werden nach und nach abgetragen. Der Müll wird getrennt in Biomüll, der direkt verbrannt wird, in Metall, das auf Schiffen auf andere Inseln abtransportiert und dort wiederverwendet wird und Restmüll, der auch verbrannt wird, bzw. erstmal noch auf den Deponien liegen bleibt.

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Nach und nach haben die Bewohner ihre Dächer notdürftig, manch einer auch schon komplett neu gedeckt. Wir werden allerdings noch einige Zeit mit dem Bild von „mülltüten-blauen“ Dächern leben müssen. Nicht jeder hat im Moment das Geld, ein neues Dach zu bezahlen. Die in Gärten umherliegenden Teile wurden an den Straßenrand getragen und von dort abtransportiert. Nun entrümpeln viele das Hausinnere und man sieht hier und da Matratzen, Möbel und Kleidung am Straßenrand liegen. Viele haben bereits mit Renovierungsarbeiten oder Wiederaufbau angefangen, andere warten noch immer auf den Gutachter der Versicherung und können somit noch nicht anfangen. Gelder sind – soweit wir wissen – noch nicht geflossen und wenn überhaupt soll es erstmal nur Abschlagszahlungen geben, die sicher nicht ausreichen werden, um Dächer oder Häuser zu renovieren. Geschweige, dass man die notwendigen Fachleute dafür derzeit auf der Insel finden würde. Arbeit gibt es zwar mehr als genug für Dachdecker, Tischler, Handwerker und Baufirmen, aber die Firmen wissen gar nicht, wo sie zuerst anfangen sollen. Geld regiert da die Welt. Wer zahlt, bekommt die Arbeiten gemacht, oder wer jemanden kennt, der jemanden kennt.

Um die eh schwierige Situation nun noch zu verkomplizieren, müssen hier und da neue Bauverordnungen eingeholt und eingehalten werden. Manch einer darf sein Haus, Restaurant nicht gleichermaßen wiederaufbauen, weil er die Genehmigungen nun nicht mehr bekommt. Man will Hurrikan sicher bauen. Die holländische Seite erlaubt lediglich hiesigen Unternehmen die Bergung von Schiffen und die Renovierungsarbeiten, was bedeutet, dass Hilfe aus Europa oder den Nachbarinseln nicht gestattet wird, um hiesige Arbeitsplätze zu sichern. Das verzögert allerdings empfindlich den Wiederaufbau und im Falle der Bergung der Schiffe schädigt diese Bestimmung ganz erheblich das Ökosystem in der Simpson Bay Lagon.

Eine Vorgehensweise, die vielerorts auf Unverständnis und Empörung trifft. Überhaupt steht die Regierung von St. Maarten unter erheblicher Kritik, denn man wirft ihr unter anderem vor, dass sie den Einsatz der holländischen Marines in den ersten 3 Tagen nach Irma verzögert und damit den Plünderungen Vorschub geleistet habe und dass sie das Hilfsangebot aus Holland abgelehnt habe, aufgrund eines „Integritätsministeriums“, das man als Einmischung empfand und dem nicht zustimmen wollte. Zu groß scheint die Sorge, dass die 7-jährige Unabhängigkeit verloren gehen könnte. Etwas was sich andere wiederum sehnlich wünschen. Diese politischen Manöver sorgen für reichlich Unmut bei den Bewohnern des südlichen Teils der Insel und da die Menschen, die dort ihre Jobs verlieren auf sich gestellt sind und keinerlei soziale Hilfen erfahren, hoffen diese Menschen umso mehr auf die zeitnahe Rückkehr der Touristen.

Die französische Regierung hat Hilfsfonds, Kreditaussetzungen und Steuererleichterungen beantragt. Der Präsident vom Collectivite St. Martin ringt noch immer um Gelder und Steuererleichterungen für die Betroffenen. Unternehmer, Angestellte und Arbeitslose können Hilfen beantragen. Es soll schnelle Unterstützung geben, sofern man die Kriterien erfüllt. Auch hier wurde etwas Kritik von einigen laut, denn die Bergung des Wracks, dass seit 1999 in der Bucht von Marigot lag wurde in diesen Tagen durchgeführt und hat mit knapp 400000 Euro zu Buche geschlagen. Geld, dass man jetzt dringend für den Wiederaufbau benötigt hätte, aber da der Auftrag bereits weit vor Irma vergeben wurde, hielt man daran fest. Nun ist der Weg frei, für einen Kreuzfahrtanleger in Marigot – der franz. Hauptstadt der Insel.

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Die amerikanischen Touristen erwarten bereits ungeduldig, wieder auf die Insel kommen zu können. Die ersten sind bereits eingetroffen und auch wenn viele im Internet vorab Fotos und Videos gesehen hatten, sind doch einige sehr erschüttert, als sie dann hier in die betroffenen Gegenden kamen und sich ein eigenes Bild machen konnten.

Einige Ecken auf der Insel – wie Friars Bay – sind vollkommen intakt und man versucht so schnell wie möglich alles wieder aufleben zu lassen, wie vor Irma, während in anderen Ecken viele Gebäude noch von der rohen Gewalt zeugen, die von Hurricane Irma ausging.

Einige Amerikaner sind einfach nur hier her gekommen, um ihrem Lieblingshotelier oder ihrem Lieblingsrestaurant treu zu bleiben und sie solidarisch zu unterstützen, andere buchen ihren Jahresurlaub dieses Jahr lieber auf einer anderen Insel und wieder andere wollen Anfang des Jahres kommen und der Insel noch etwas Zeit geben, um sich weiterhin neu aufzustellen.

Viele von Ihnen fragen auf Facebook nach diesem oder jenem lieb gewonnen Mitarbeiter eines Hotels, den sie aus ihren Urlauben kennen…. und viele von ihnen spenden dann gezielt und nehmen intensiv Anteil. Diese Art von Anteilnahme durften wir bei unseren deutschen Tourgästen auch erfahren und wir sind sehr gerührt und dankbar, dass unsere Gäste so viel Verständnis, Geduld und Mitgefühl aufbringen – in dieser für uns doch sehr schwierigen Zeit.  Außerdem können wir dadurch einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau und zur Unterstützung der Bevölkerung leisten. Hilfen, die dringend benötigt werden!

Die Übernachtungsmöglichkeiten und die Wohnsituation hat sich verschärft, denn die wenigen intakt gebliebenen Hotels, Häuser und Restaurants sind jetzt natürlich sehr gefragt. Vermieter können es sich somit erlauben, die Bedingungen zu diktieren und in der Not fügt sich manch Einer mit dem, was er kriegen kann, bevor er gar nichts hat. Manche Familie wird  einfach vor die Tür gesetzt, oder es werden nur wochenweise Wohnungen und Häuser vermietet, damit man wieder an Touristen vermieten kann. Wer jetzt eine Wohnung oder ein Haus sucht, hat es schwer…. oder muss eine sehr hohe Miete zahlen. Wer eine Immobilie kaufen will, kann jetzt ein Schnäppchen schlagen.

In direkter Nachbarschaft hat eine obdachlose Familie einen an Land gespülten Katamaran „besetzt“ und ist dort einfach eingezogen. Die Familie in deren Garten der Katamaran jetzt liegt, sieht sich nun unfreiwillig Mitbewohnern des Grundstücks ausgesetzt, denn um in den Katamaran zu gelangen, nutzen die „Besetzer“ ihren Garten, Auffahrt und Bootsanleger. Das Boot gehört einer Firma, die hier mehrere Boote zum Verleih liegen hat und für die der Mann arbeitet, in dessen Garten der Katamaran angespült wurde. Es sollte dieser Tage eigentlich wieder ins Wasser gesetzt werden…. die Gendarmerie war bereits vor Ort……bisher ergebnislos…. eine schwierige Situation.

Alle deutschen Auswanderer, die wir hier auf der Insel kennen, sind im Übrigen (genau wie wir) auf der Insel geblieben, bzw. kommen in diesen Tagen auf die Insel zurück. Wir sind also nicht die Einzigen, die hier die Zähne zusammenbeißen und mit aufbauen!

Unsere deutschen Freunde haben zum Glück auch eine neue Bleibe gefunden, in die sie in diesen Tagen umziehen werden, nachdem sie fast 2 Monate bei anderen Freunden gewohnt haben und all ihr Hab und Gut auf 3 Standorte verteilt untergebracht hatten. Ihr altes Zuhause ist einsturzgefährdet und damit unbewohnbar. Nun haben sie in dem neuen Haus renoviert und sind erstmal froh, etwas gefunden zu haben. Glücklicherweise haben sie auch ihre Jobs behalten können, sodass zumindest ihr Einkommen gesichert ist. Das freut uns natürlich!

Eine andere deutsche Freundin, die Ferienwohnungen an Gäste vermietet, hat an allen drei Häusern massive Schäden und renoviert derzeit ein Dach nach dem anderen. Sie packt dabei immer mit selber tatkräftig mit an und kämpft auch um ihre Existenz. Niemand hat damit rechnen können, dass alle drei Objekte auf einmal so massiv renovierungsbedürftig würden.

Wir selber sind derzeit dabei, unsere Marketing Firma wieder ins Rollen zu bringen und die Fernseher wieder zu ersetzen und neu zu installieren. Wir hatten absolut nicht damit gerechnet, dass sie alle gleichzeitig durch Sturm oder Plünderung verloren gehen würden. Außerdem konnte niemand ahnen, dass auch der gesamte Kundenstamm auf einmal in Zahlungsschwierigkeiten kommen würde. Bisher haben wir 2 Monate kompletten Einnahmenausfall…

Wir sind alle aber überzeugt, dass nach einem Tal wieder ein Hoch kommen wird und wir nur dieses Tal durchhalten müssen, um dann wieder besseren Zeiten entgegen zu sehen. Wir glauben fest daran, dass die Insel in den kommenden Jahren wieder ein Traumziel ist und dann werden wir auch wieder unsere geliebten Inseltouren machen!

Es wird dauern…aber es wird!

6 Monate nach Irma


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