Auswandern boomt!
Immer mehr Deutsche tauschen Heimat gegen Sehnsuchtsort, Alltag gegen Abenteuer. Zwei Frauen, ein Neubeginn
Sie hatte die Nase voll vom Hamburger „Schietwetter“, sehnte sich nach Strand, Palmen und Sonnenschein. „Darum zogen wir auf gut Glück nach Saint-Martin mitten rein in die Karibik“, erzählt uns Angie. Ihr Mann Thomas kannte als leidenschaftlicher Segler dieses Paradies bereits durch seine Urlaube. 2015 war die Sehnsucht nach Veränderung schließlich so groß, dass Wohnung und Job gekündigt wurden und die Koffer gepackt. „Streng genommen sind wir innerhalb Europas umgezogen“, sagt Angie. Der französische Nordteil der Insel gehört nämlich zur EU, der niederländische Süden nicht, da er autonom ist.
„Weil unser jüngster Sohn mit in die Karibik kam, war es uns wichtig, dass die schulischen Abschlüsse in Deutschland anerkannt würden, was auf dem französischen Teil von St.-Martin gegeben ist.“ Und während ihr Sohn in der Schule neben Französisch auch Englisch lernte, gründeten Angie und Thomas zu Beginn eine Marketing-Firma, „bevor wir für eine deutschsprachige Inseltour angefragt wurden. Seither freuen wir uns, den Menschen unsere neue Heimat zeigen zu dürfen“.
Heute, sieben Jahre später, gelten Angie und Thomas mit ihrer Plattform „Zauber der Karibik“ als erste Ansprechpartner für all jene, die es auf die Antillen verschlägt, egal ob in den Ferien oder zur „Workation“ (ein englischer Wort-Mix aus Work, Arbeit, und Vacation,Urlaub). Ihr jüngster Sohn ist inzwischen zu seinem Bruder zurück an die Elbe gezogen. „Unsere Jungs vermissen wir natürlich sehr“, erzählt Angie, „Hamburg bisher aber nicht.“
Das Thema Auswandern ist so präsent wie nie zuvor. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben laut Statistik knapp 1,8 Millionen Deutsche ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Denn: In Zeiten von Homeoffice muss dazu nicht einmalder Job gekündigt werden. Sind sämtliche arbeitsrechtlichen Bedingungen geklärt, kann der Laptop schließlich überall dort aufgeklappt werden, wo es eine schnelle Internetverbindung gibt.
Der Tourismus hat sich auf die „digitalen Nomaden“ längst eingestellt. Regionen wie Thailand oder die Kanarischen Inseln punkten seit Jahren mit deutschem Standard, was die Voraussetzungen für Homeoffice betrifft. Aber auch andere Ziele, etwa die Blumeninsel Madeira, haben sich auf „Workation“ spezialisiert und versprechen neben einem stabilen Internet das ideale Umfeld, um ebendort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen.
Bei Food-Autorin Sandy Neumann war es der Duft von Lavendel, reifen Aprikosen und Rosmarin, der sie in den Süden Frankreichs lockte. Genauer gesagt in die Weinregion Corbières. Hier, indem kleinen Dorf Tuchan, lebt sie seit 2018 mit ihrem Mann Steffen und Australian-Shepherd-Hündin Sòmi in einem 300 Jahre alten Natursteinhaus.
Für Sandy ist diese Gegend am Mittelmeer ein absoluter Herzensort. Als sie zum ersten Mal nach Südfrankreich reiste, wusste sie sofort: „Hier bin ich richtig. Ich spürte eine bis dahin nicht gekannte Verbundenheit zu Land und Leuten, und diese Liebe hat sich mit jedem weiteren Besuch verstärkt.“
Anfangs pendelte das Paar noch zwischen Hamburg und Tuchan hin und her, doch mit dem Beginn der Corona-Pandemie verlagerten die beiden ihre Arbeit zunehmend ans Mittelmeer. Sandy arbeitet von dort aus nicht nur als selbstständige Organisationsberaterin für Unternehmen, sondern bezeichnet sich als „kulinarische Botschafterin Frankreichs“ und lässt sich von der Natur zu immer neuen Rezepten und Projekten inspirieren. In ihrem Buch „Wo die wilden Kräuter blühen“ (siehe Tipp) erzählt Sandy, wie sie ihren ganz persönlichen Weg gefunden hat, diesen Lebenstraum wahr werden zu lassen –„und diesen Neuanfang schafft jeder“, betont sie. „Alles, was es dazu braucht,ist ein allererster Schritt.“
